II. Deichordnung.
4. Deichlast.
d. Deichvertheidigung und Nothhülfe.
§. 48.
Die Sicherung des Deiches gegen Beschädigung durch Strömung, Eisgang und
Wellenschlag bei hohen Wasserständen liegt jedem Deichinhaber für seinen
Deich ob, und hat derselbe das Material dazu zeitig herbeizuschaffen und bereit
zu halten.
Bestehende Verpflichtungen Anderer zu desfallsigen Leistungen werden durch
diese Bestimmung nicht aufgehoben.
§. 49.
Die Bewachung der Deiche bei Eisgang und Hochwasser, die Stellung der
Deichwachen, Haltung der Wachräume und der Materialiengebäude, Lieferung der
nöthigen Materialien und Geräthschaften u. soll den dazu Verpflichteten in dem
bisherigen Maße ferner obliegen.
In den Fällen, wo die Bewachung als unzureichend, oder eine Erweiterung der
Schutzmaßregeln (Zulegung von gemeinschaftlichen Vorräthen und
Vorrathsräumen, Anschaffung von Geräthschaften u.) als nothwendig erkannt
wird, kann die Deichaufsicht das Erforderliche auf Kosten des Deichverbandes
anordnen.
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§. 50.
Nach den vorstehenden Bestimmungen sollen die Obliegenheiten hinsichtlich der
Deichbewachung und Deichvertheidigung in jedem Verbande im Einzelnen näher
bestimmt werden.
Auch kann die Deichaufsicht das Verfahren bei der Deichbewachung und
Deichvertheidigung durch besondere Vorschriften ordnen.
§. 51.
Nothhülfe ist zu leisten, wenn ein Deichbruch drohet oder eingetreten ist, oder
wenn sich andere Umstände zutragen, welche das Binnenland der Gefahr der
Überschwemmung durch Flußwasser aussetzen (außerordentliche Hochfluthen,
Eisstopfungen u.)
§. 52.
Zu deren Leistung sind, vorbehältlich der Bestimmung des §. 48, schuldig:
1) zunächst die Deichpflichtigen und dann alle arbeitsfähigen männlichen
Bewohner der Gemeinde, in welcher der gefährdete oder gebrochene Deich liegt;
wenn aber deren Kräfte nicht genügen
2) die Deichpflichtigen und dann alle arbeitsfähigen männlichen Bewohner der
angrenzenden Gemeinden, nötigenfalls des ganzen Deichverbandes, außer
insoweit ihre Kräfte durch Notharbeiten an ihren eigenen oder ihnen näher
belegenen Deichstrecken in Anspruch genommen sind;
3) die Bewohner der sonstigen Umgegend.
§. 53.
Die zur Leistung der Nothhülfe zunächst Verpflichteten (§. 52, 1) haben sich,
sobald sie von der Gefahr Nachricht bekommen, die übrigen Verpflichteten (§. 52,
2 und 3) aber sobald Sie von der Obrigkeit, einem Wasserbaubeamten oder
Deichgeschworenen u. aufgefordert werden, unverzüglich an die Stelle der
Gefahr zu begeben.
Dabei müssen sie alle ihnen zu Gebote stehenden Arbeitskräfte, Geräthschaften
und Fahrzeuge für die Notharbeit zur Verfügung stellen.
§. 54.
Der Zweck der Nothhülfe ist, den Deich zu erhalten oder, wenn dieses nicht zu
erreichen gewesen ist, die entstandene Öffnung wieder zu verschließen, so
schleunig und soweit dieses während des Gefahrstandes geschehen kann.
Falls es an Arbeitskräften gegen angemessene Bezahlung mangelt, so kann die
Deichaufsicht verfügen, daß die Hülfe fortgesetzt werde:
1) bis entweder der gebrochene Deich bis zu einer das Sommerhochwasser
abhaltenden Höhe wieder geschlossen oder der Deichbruch durch einen
Nothdeich von dieser Höhe und hinlänglicher Stärke abgefangen ist; oder selbst
2) bis daß zur zeitigen und wehrbaren Instandsetzung der Deiche das Nöthige
geschehen ist. Kann die Nothhülfe nicht auf einmal eingestellt werden, so sind
die dazu Aufgebotenen in umgekehrter Reihefolge, wie die Aufforderung nach §.
52 geschehen muß, davon zu entlasten.
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§. 55.
Auf Anordnung der Deichaufsicht oder der mit örtlicher Leitung und
Beaufsichtigung der Deichvertheidigung beauftragten Personen dürfen im Falle
der Gefahr alle zur Abwendung oder Beschränkung derselben nöthigen und
brauchbaren Gegenstände überall, wo sie am leichtesten zu bekommen sind,
genommen werden.
§. 56.
Bei eingetretenem Deichbruche kann zur Erniedrigung der
Binnenüberschwemmung und Erhaltung der unteren Deichstrecken die
Durchstechung des Deiches an geeigneter Stelle von der Deichaufsicht
angeordnet werden. In solchem Falle hat der Deichverband den durchstochenen
Deich allein wieder herzustellen und für den sonst entstandenen Nachtheil
(Auskolkung, Versandung u.) Entschädigung zu leisten.
§. 57.
Für die nach den Bestimmungen sub Nr. 1 und 2 im §. 54 fortgesetzte Hülfe, wie
für die in Nothfällen nach §. 55 gelieferten oder genommenen Materialien soll
vom Deichverbande Vergütung geleistet, von diesem aber außerdem den nicht
ansässigen Lohnarbeitern jede Art der Hülfe bezahlt werden.
Im Übrigen findet eine Vergütung für Nothhülfe nicht statt.
In Streitfällen soll über die Pflicht und den Betrag der nach obigen Bestimmungen
eintretenden Vergütung für Nothhülfe, sowie der nach §. 56 zu leistenden
Entschädigung, ausschließlich im Verwaltungswege entschieden werden.
Das Leben mit dem Deich
Das Leben mit dem Deich